evelyn hamann (1942 - 2007)







irgendwie war früher alles besser...

'ach muschu, dachtest du wirklich, dass eine party grandios wird, auf der die verschiedenen tanzebenen floors heißen? fandest du die idee nicht schon vorher recht abwegig, samtlappen und gothics unter einem dach tanzen zu lassen? mein herz, hör auf zu weinen. schone deinen lidstrich!' - würde lisa sagen, wäre sie keine fiktive freundin und lebendig. mit zittrigen händen, die nach alter schmecken, würde ich ihr blondes haar kneten und ihr somit recht geben. lisa ist weise. und fünfzehn. mittlerweile. sie wohnt in dem vergilbten schuhkarton neben meinem bett und berät mich in ausweglos erscheinenden entscheidungsfragen. sie ist stets die erste, die ich um rat frage. sie weiß zu jedem thema etwas zu sagen. oft muss ich gar nicht erst den deckel ihrer behausung öffnen. sie hakt sich in meine gedanken und versprüht pures glück. lisa hätte mich von der gestrigen party sicher abgehalten, tat sie auch, aber ich wollte nicht auf sie hören. das haben wir nun davon. wir waren dort. und es war grauenvoll. eintritt acht euro. acht euro, die sich einst dafür auszahlten, dass man in der deutschmark-zeit eine woche davon leben konnte. kann man jetzt nicht mehr, deshalb ist es ein feines eintrittsgeld, das niemandem leid zufügt. man bezahlt, erhält eine eintrittskarte, die man zwei meter weiter wieder abgibt. man schaut blöd und gibt seine jacke an der garderobiere ab, die dafür einen obulus von 1,50€ verlangt und so tut, als hätte sie das aufhängen von jacken studiert. tat sie nicht. sie war nicht einmal eine frau, sondern ein untersetzter mann mit viel zu kurzen beinen, der sich voller tränen in den schlaf wiegt, weil ihn alle für zu klein und untersetzt halten.
dann betritt man die hallen aus denen die musik strömt, die so schlecht ist, dass man gerne sein eintrittsgeld zurückfordern würde. tut man nicht. aus anstand. außerdem ist die rote frau mit der kasse durchgebrannt und bezahlt damit ihre mahnungen bei der nationalbibliothek.

veitstanz und rabenschwarze nacht in einem. klingt einladend. fast wie das angebot, eine penisverlängerung mit rostigen instrumenten vorzunehmen. auf letzteres hätte ich nach entrichtung des eintritts eher lust gehabt. leute, die ich weder grüße, noch akzeptiere, kann ich mir auch kostenlos auf der straße anschauen. abgestreifte bekannte, die einen dumm anlabern und am liebsten mit einem dreifachen sieg heil! grüßen würden, trifft man dort auch - das alles ist in dem eintrittsgeld inklusive. nach dem ersten schock rennt man wie blöd durch die verhuschten gänge und zählt nach, ob man für sein geld wirklich sechs floors bekommen hat. sucht dann, allein wegen der guten musik, den neofolk-floor, erfährt, dass es den gar nicht gibt. dann wirft man eine runde für seine lieben freunde. erinnert sich an die zeit, als bier fast kostenlos für jeden zu erstehen war. nun sind es drei euro. und dort, wo wir einst im dreck schliefen, tanzen nun fünfzehnjährige in teuren gehröcken. werfen ihr speckiges haar in die luft und schauen böse. nachts schminken sie sich ab, um in der frühe butter auf dem markt zu verkaufen.

bis zwei uhr in der frühe sind wir geblieben. dann mussten wir gehen. zwei stunden party. party? schreckliches wort. 'komm, wir machen party!' - nein, wir machen keine party. wir besuchen eine und die nennt sich tanzveranstaltung. liebe deine sprache und nutze sie. einige menschen sollte man aufgrund ihres sprachschatzes ausweisen. oder in der frühe butter verkaufen lassen.
habe nicht einmal getanzt. bin durch die gänge gelaufen und habe mich betrunken. die magersüchtigen mädchen in zu knappen oberteilen angeschaut. wartete darauf, dass sie in der mitte durchbrechen und die wahrheit offenbaren.

damals war es möglich, während der veranstaltung, irgendeiner, die dort stattfand, den ort kurz zu verlassen, um am nächtlichen tageslicht frische luft zu schnappen. gestern musste man zwei euro bezahlen für den wiedereinlass. wiedereinlass. wiedereinlass. wiedereinlass. ich kotzte. also aß ich fettige fritten im dm-café oder was das sein sollte. es ist ein uriges bild. man sitzt dort in seiner uniform an einem kleinen tisch, auf dem ein grablicht brennt. um einen herum hocken an ebenfalls viel zu kleinen tischen gruftschlampen und typen in lackröckchen und essen fettiges. die stühle und tische erinnern an solche, die es in den kinderabgabestellen bei ikea gibt, wo man seine brut in einer kiste voll kleinen bällchen ertränkt, um sich in aller ruhe tote kücheninstallationen anzuschauen, um von einem leben zu träumen, das man nicht mehr hat, seitdem man die kleine silke und den benno auf diese erde warf.

eigentlich nicht erwähnenswert das gestern. deshalb soll hier nun auch ein strich gezogen werden. tanzveranstaltung dort ist nicht mehr. schon gar nicht neben veranstaltungen, die sich dröhn-party nennen. alles ist schlecht. und wie meine freundin eva sagen würde, war früher so einiges besser. man konnte spaß haben, heute hat man party. schaut leuten beim schlechten tanzen zu, läuft wie unter hypnose herum und fragt sich die ganze zeit, was man dort tut. so halb nüchtern und ohne drogen. man nahm sogar drogen, damit der arbeitsalltag bunter erschien. drückte spritzen mit bluem inhalt direkt in die iris. man war krass und liebte es. heute schaukeln wir eier. sind langweilig, sind die alten. gott, das klingt, als würden wir uns wie 55 fühlen. mindestens.

das ist der erste sonntag seit zehn jahren für mich, an dem ich vor 17h aufgestanden bin. das lässt tief blicken. war schon um kurz vor zehn wach und konnte es nicht fassen. habe dann mit lisa gefrühstückt und ihr unter tränen meine gestrige nacht erzählt.

lisa kann gut zuhören. sie nickt bei jedem wort. ihr blondes haar umspielt neckisch ihr fabulöses gesicht. ihre leeren augen erfüllen mich mit stolz.

lisa.






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